Dieser Artikel gibt die Poster-Serie wieder, die ein Teil des AIHV Congress in London im September 2003 war..

Text & Abbildungen © 2003 Mark Taylor und David Hill
Übersetzung © 2009 Frank Wiesenberg

Quelle: http://www.romanglassmakers.co.uk/poster03.htm

 

Rippenschalen und ihre Herstellung

Die Reproduktion römischer und hellenistischer Gläser erfordert eine gewisse Menge Experimentierarbeit. Als Ergebnis unserer Arbeit glauben wir, daß die frühen Glasmacher stets die schnellste und einfachste Herstellungsmethode nutzten. Wir gehen davon aus, daß die Produktionstechnik von Rippenschalen keine Ausnahme von dieser Regel ist.

Der folgende Text und die Fotos beschreiben und illustrieren unsere Methoden:


Abb.1 - monochrome Rippenschale

Die heiße Phase:

Wir formen jede Rippe einzeln auf einer heißen, flachen, runden Glasscheibe, wozu wir eine modifizierte Zange benutzen. Diese Technik ist eine einfache, relativ schnelle und wiederholbare Methode.


Abb.2 - Rippenzange


Abb.3 - Überblick über Werkstatt und Werkzeuge; rechts unten eine fast fertiggestellte Rippenschale

Eine monochrome Rippenschale zu formen und abzusenken nimmt mit dieser Methode ungefähr 15 bis 20 Minuten in Anspruch. (Eine polychrome oder Mosaik-Rippenschale braucht etwa doppelt so lange, da die Fertigung der ursprünglichen Glascheibe das Zusammenschmelzen von über 100 einzelnen Stababschnitten erfordert - siehe weiter unten.)


Geschmolzenes Glas wird vom Entnahmestab auf eine Märbelplatte gegossen, die mit trockenem Tonpulver bestreut ist. Das Glas wird mit einem großen, gewässerten Holzblock zu einer flachen Scheibe geformt und zum Nachheizen auf eine keramische Ofenplatte umgesetzt. Die Unterseite der Glasscheibe nimmt dabei etwas von dem Tonpulver auf, was während der weiteren Schritte als Trennmittel fungiert.


Abb.4 - Gießen und Abflachen des flüssigen Glases


Abb.5 - Einkneifen der Rippen

Wenn wir schnell mit der Zange arbeiten schaffen wir etwa 4 oder 5 Rippen, bevor das Glas zu steif wird und nacherhitzt werden muß. Je höher die Anzahl der Rippen, desto länger werden die bereits geformten Rippen der Hitze ausgesetzt. Dies kann zu einem gewissen Maß zum Wiederschmelzen der früher geformten Rippen führen; ein Effekt, der manchmal auch an originalen Rippenschalen beobachtet werden kann.
Rippen können auch durch ein zweites Einkneifen betont werden, falls dies nach Formen aller Rippen notwendig erscheinen sollte.

Während des Einkneifens der Rippen ist die Glasscheibe anfällig für Verzug und braucht regelmäßig Nacharbeit mit der Zange, wobei die Scheibe wieder zu einer runden Form gedehnt und sichergestellt wird, daß der für das geplante Gefäß nötige Durchmesser erhalten bleibt. Dies geschieht am besten nachdem die Rippen geformt wurden und bei der niedrigsten möglichen Temperatur. Das hilft sicherzustellen, daß die Rippen nicht so weit erhitzt werden, daß sie wieder verschmelzen.


Abb.6 - Weiten der Scheibe mit Maurerkelle und Zange

Nachdem die Rippen geformt wurden, platzieren wir die Scheibe unverzüglich auf eine vorgeheizte Form und erhitzt sie wieder und gesenen sie über eine Form ab. Die weich erhitzte Scheibe wird mit Metall- oder Holzwerkzeugen über die Form gedrückt, sie darf sich seitlich bis zur Ofenplatte unterhalb der Form herabsenken, was einen gleichmäßigen Rand formt. Bereiche, die nicht direkt bis zur Ofenplatte herabreichen, können mit einer Metallklinge auch herabgezogen werden. Dies verursacht horizontale oder fast horizontale lineare Eindrücke, die trotz allen Schleifens und Polierens ihre Parallele in Eindrücken auf originalen Rippenschalen haben.


Abb.7 - Absenken der Glascheibe über die Form


Abb.8 - Zusammendrücken des Randes und Formen des oberen Rippenabschlusses

Nach dem Absenken muß die Region direkt unter dem Rand der Rippenschale abgeflacht werden um die charakteristischen Ausläufer der Rippen abzuflachen und sicherzustellen, daß alle Rippen in der selben Höhe enden. Wir erreichen dies durch Wiedererhitzen der Schale und seitliches Pressen der Schale mit zwei schmalen Metallstäben während die Schale gedreht wird. Um dies vollständig durchzuführen sind mehrere Heizprozesse nötig. Die hiervon verursachten Falten und steilen, manchmal auch abgeflachten Rundungen am oberen Abschluß der Rippen sind die gleichen wie bei den Originalgefäßen.

Beide Operationen werden bei den niedrigsten möglichen Temperaturen durchgeführt um die Form der Rippen nicht negativ zu beeinträchtigen.

Anschließend erlauben wir der Schale etwas abzukühlen und zu erstarren, dann nehmen wie sie vorm Tempern von der Form.


Die kalte Phase:

Nach Entspannen und Abkühlen wird die Schale kalt bearbeitet um alle teils eingschmolzenen Einschlüsse des Ton-Trennmittels von der Innenseite und alle Werkzeugspuren von der Außenseite des Gefäßes zu entfernen. Dieser Prozeß erfolgt in drei Abschnitten:


Abb.9 - Schleifen des Randes


Abb.10 - Schleifen der Schalenaußenseite

1. Wir überschleifen und ebnen den Rand der Schale auf einer flachen Schleifscheibe (Abb.9).

2. Wir schleifen und polieren den Bereich über der Rippen, wobei die Schale mit einem fixierten Holzstück ruhig gehalten wird und die Schale in traditioneller Weise gegen ein Schleifrag bewegt wird (Abb.10).


Abb.11 - Schleifen der Innenseite

3. Wir betten die Schale in Ton ein, befestigen sie auf einer angetriebenen Drehscheibe (in diesem Fall: die plane Schleifscheibe), schleifen und polieren die Gefäßinnenseite und gravieren etwaige horizontale Zierlinien. Hierzu können traditionelle Schleif- und Poliermitteln wie Korund, Sandstein und Bimsstein (wie hier zum Polieren) genutzt werden. (Man beachte daß die Schale von oben bearbeitet wird, was vollständigen Zugang zur Innenseite und außen zum Bereich unter dem Rand erlaubt, was bei Montage auf einer Drehbank nicht möglich wäre.)

Das Schleifen und Polieren kann bis zu 90 Minuten dauern, abhängig von der gewünschten Oberflächenglätte. Auf Originalgefäßen können verschiedene Oberflächengüten beobachtet werden, aber allen gemein sind konzentrische Schleifspuren auf ihrem Inneren und normalerweise auch Äußeren oberhalb der Rippen.


Details der Werkzeugspuren:

Diese Bilder unserer Rippenschalen zeigen einige Werkzeugspuren, die auch an originalen Rippenschalen zu sehen sind.

Vertikale Werkzeugspuren (rechts):

Diese werden durch die ins heiße Glas zum Formen der Rippen eingreifende Zangenbacken verursacht.


Abb.12 - vertikale Werkzeugspuren


Abb.13 - horizontale Werkzeugspuren

Horizontale Werkzeugspuren (links):

Sie treten auf, wenn der Rand der heißen Glasschüssel zur Platte unter der Form heruntergezogen wird.

Oberes Ende der Rippen (rechts):

Hier zeigt sich durch die seitlich gegen die Form gepreßten Metallstäbe verursachtes Abflachen und Formen des Schalenrandes.


Abb.14 - Abflachungen der oberen Rippenabschlüsse


Abb.15 - geneigte Rippen

Geneigte Rippen (links):

Neigung der Rippen wird durch angewinkeltes Halten der Zange beim Einkneifen der Rippen verursacht.

Schlangenlinien (rechts):

Die leicht S-förmige Biegung der Rippen entsteht, wenn eine Rippe mit der Zange festgehalten wird, während die Scheibe gedreht wird.


Abb.16 - Rippen in Schlangenlinien

Glasstäbe mit Spiralmustern im Schnitt:

Viele originale weite, flache Rippenschalen wurden aus geschnittenen Mosaikglas-Stäben mit Spiralmuster geformt.

Für sie wird das aufgenommene Trägerglas (z.B. blau) als Zunge geformt, dann mit der Unterseite der Zunge etwas Glas für die Spirale (z.B. weiß) von der Oberfläche des Glashafens aufgenommen, das überschüssige Glas am Hafenrand abgestrichen, die Zunge gelängt und zu einer Spirale gerollt, zum Rechteck geformt und schließlich gedehnt.


Abb.17 - Mosaik-Rippenschale mit ihren Bestandteilen


Abb.18 - zusammengesetzte Rippenschale vor dem Verschmelzen


Nach Enspannen und Abkühlen werden die Glasstäbe quer in dünne Scheiben geschnitten und auf einer Keramik-Ofenplatte zu einer Kreisfläche arrangiert.

Man braucht etwa 10 Minuten für einen Glasstab und braucht drei Stäbe für eine Schale. Weitere 30 Minuten beansprucht das Zerteilen der Stäbe und Anordnen der Abschnitte.

Wir setzen unsere Arbeit an Reproduktionen von Rippenschalen weiter fort und verfeinern ständig die hier beschriebenen Techniken.

Eine das heiße Formen von Rippenschalen weiter diskutierende Version dieser Präsentation wurde im "Catalogue of Greek and Roman Glass in the British Museum: Non-blown and Early Blown Glass" von Veronica Tatton-Brown und William Gudenrath. (BMP 2003) publiziert.


Glas auf dem Tisch
(auf dem Foto abgebildet)

  1. Zunge aus blauem Glas mit unterseitig aufgenommenem weißen Glas
  2. Zunge ist gedehnt
  3. teilweise geformte Spirale
  4. fertiger Stab mit durchgehender Spirale
  5. Stab ist eingekerbt und einige Scheibchen sind abgetrennt

 


Abb.19 - Zwischenschritte zur Herstellung von Glasspiral-Abschnitten


Mark Taylor and David Hill

 

 


Weitere Artikel:Einleitung zu Mosaikglas

Einleitung zu den Rippenschalen

 

"Second Gather 2003 Exhibition": Eine Ausstellung, die auch die auf antiken Gefäßen als Verzierung vertikal eingekniffenen Rippen thematisiert

 

Rippenschalen und ihre Herstellung: Das ist unsere Poster-Präsentation, die wir für den "AIHV 2003 Congress in London" (September 2003) zusammenstellten.

 

Rippenschalen und ihre Herstellung: Dieser Artikel wird im "British Museum Catalogue of Glass in the Department of Greek and Roman Studies" erscheinen.

 

Frank Wiesenberg, Zur Herstellung römischer Rippenschalen. Resultate aus dem Borg Furnace Project 2015. In: Gunter Schöbel (Hrsg.), Experimentelle Archäologie in Europa 16 - Jahrbuch 2017 (Unteruhldingen 2017) 104-115.
Download des Artikels auf ARCHAEOglas.de

Vorträge:Zur Herstellungstechnik römischer Rippenschalen (Frank Wiesenberg 2013)
 

Download einer PDF-Kurzfassung dieses Vortrags von der Webseite ARCHEOglas.de (Frank Wiesenberg 2013)

 Making Roman Ribbed Bowls (Frank Wiesenberg 2013)
 Download einer PDF-Kurzfassung des Vortrags Making Roman Ribbed Bowls von der Webseite ARCHEOglas.com (Frank Wiesenberg 2013)


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