Text & Abbildungen © 2008 Mark Taylor
Übersetzung © 2009 Frank Wiesenberg

Quelle: http://www.romanglassmakers.co.uk/engraved.htm

 

 


Abb.1 - Replik der Wint Hill Schale (068a)

Spätrömisches graviertes Glas

Seit der Frühzeit der Glasherstellung wurden Glasgefäße und -Objekte mit verschiedenen Substanzen, insbesondere Steinen unterschiedlicher Härte, bearbeitet, geformt und geglättet. Als in römischer Zeit frei- und formgeblasene Gläser aufkamen, wurden von Glasmachern (vitearii) gefertigte "Rohlinge" an Glasschleifer (diatretii) übergeben, die eine Menge an Schneid-, Schleif- und Abtragearbeit aufwandten. Die Glasmacher realisierten, daß sogar die einfachsten Zierelemente ein mondänes Stück zu einem noch begehrenswerteren (und somit wertvolleren) Stück machten. Inschriften auf solchen Gefäßen wurden personalisiert, indem Namen des Besitzers oder Auftraggebers hinzugefügt wurden. Dies legt nahe, daß einige Gravuren speziell vom Käufer in Auftrag gegeben wurden (1).

 

Drei unterschiedliche Techniken waren weit verbreitet:

  • Abgeriebene oder eingeschnittene Bandverzierung. Viele Gefäße zeigen entweder einzelne oder Gruppen extrem feiner paralleler Linien. Diese wurden oft unter Verwendung einer scharfen Kante solchen Materials wie Feuerstein, Obsidian oder auch Glas eingebracht, während das Glas schnell auf einem Rad oder einer Drehbank rotiert. So werden dünne, fast graue Linien erzeugt, während härtere Steine auch für tiefere Einschnitte verwendet werden.
  • Intaglio-Schnitt. Hier wird das Gefäß gegen ein schnell rotierendes Steinrad geführt, welches Linien oder Facetten in die Gefäßoberfläche schleift. Aus diesen Facetten können aufwendig gearbeitete geometrische Verzierungen, umlaufende Linien oder umrissene Figuren und Muster gebildet werden.
  • Punktuelles Gravieren mit einem harten Stein oder Diamanten. Gefäße wie Schalen und Becher wurden mit Szenen und Inschriften dekoriert, die in die Oberfläche des Glasgefäßes eingekratzt wurden. Obwohl diese Technik grob und einfach erscheint, erweist sie sich in der Praxis als große Herausforderung, bei der in allen Stadien der Arbeit präzise Kontrolle nötig ist. Plinius der Ältere beschreibt die Verwendung eines gefaßten Diamanten (adamas) hierzu (2).

Punktuell gravierte Schalen und Becher:

Die Gefäße dieser Gruppe können ins erste Drittel des 4. Jh.n.Chr. datiert werden. Sie wurden von Hand in einem kratzig-linearen Stil unter Verwendung eines scharfen, spitzen Werkzeugs graviert, wobei oft die Umrisse mit kurzen Schraffuren betont wurden.

Obwohl die Schalen als "Wint Hill Gruppe" bezeichnet werden, stammen die meisten aus Fundplätzen in Deutschland, benonders ais der Region um Köln, was nahelegt, daß diese dort gefertigt und graviert wurden. Die Dekorationen fallen in drei Kategorien: Jagdszenen, mythologische Darstellungen und biblische oder christliche Szenen. (Das Auftreten des Chi-Rho-Symbols auf einigen der Letzteren hilft, die gesamte Gruppe nach die Konvertierung Konstantins ins Christentum zu datieren.) Vom stilistischen Standpunkt scheint sich nur ein enger Kreis von Künstlern mit dem Gravieren befaßt zu haben. Die Bonner Schale mit Hirschjagd (068g), die Bärenjagd-Schale aus Nettersheim (068k) und die Lazarus-Schale (070e) (3) stammen vermutlich aus der selben Hand - und auch einige weitere Schalen zeigen offensichtliche Ähnlichkeiten. Identische Szenen wurden manchmal von verschiedenen Künstlern interpretiert, was andeutet, daß wie in vielen anderen Bereichen der römischen Kunst auch hier mit vorgegebenen Designmustern gearbeitet wurde.

Wir verwenden ein Sodaglas unserer eigenen Herstellung. Es basiert auf dem Glas der frühen römischen Kaiserzeit, beziehungsweise kommt diesem extrem nahe. Es ist farblos, hat aber einen leichten grünlichen Einschlag. Unsere Reproduktionen werden unter Verwendung der von Plinius erwähnten (2) gefaßten Diamanten graviert. Obwohl die Verwendung von "spitzen Feuerstein-Werkzeugen" bereits vorgeschlagen wurde, hat sich dies in der Praxis als nicht befriedigend erwiesen, da diese Werkzeuge nur einen leicht opaken Abtrag von der Glasoberfläche und keinen scharfen Schnitt erzeugen. (Feuerstein wird dagegen für die Erzeugung paralleler Bandverzierungen wie auf dem Bonner Erotenbecher (4) verwendet. Auch gehärtete Stahlwerkzeuge wurden ins Gespräch gebracht, aber ihre Verwendung erfordert einen nicht unerheblichen Druck, zeigten sich als schwierig kontrollierbar und brauchten ständiges Nachschärfen. Aus diesen Gründen bestehen wenig Zweifel daran, daß die römischen Diatretii Diamanten oder harte Steine nutzten. (5)


Abb.2 - Zeichnung eines Fragments aus dem Römisch-Germanischen Museum Köln


Abb.3 - Schnittzeichnung der Wint Hill Schale

Die Herstellung dieser Gefäße erfordert viele Stunden sorgfältiger Vorbereitungen und vorsichtigen Gravierens; ihr Preis reflektiert die Menge an Zeit, die in die Gefäßherstellung geflossen ist. Jedes Gefäß ist numeriert, datiert und von uns beiden (6) signiert. Jedem Gefäß liegt eine ausführliche Beschreibung der abgebildeten Szene bei. Die Gravur ist zu ihrer Betonung mit dunkelbrauner oder schwarzer Tinte ausgelegt, die aber durch ihre Wasserlöslichkeit einfach entfernt werden kann.

Im Neuzustand haben römische Gläser eine blanke, glänzende, "feuerpolierte" Oberfläche. Die matte oder irisierende Oberfläche, die viele überlebende Exemplare zeigen, wurde von oberflächlichen Verwitterungsprozessen während des langen Zeitraums seit ihrer Fertigung in römischer Zeit verursacht. Unsere Reproduktionen haben die gleiche feuerpolierte Oberflächengüte wie das originale römische Glas einstmals hatte.

Wir bitten um Beachtung, daß unsere Repliken einen Durchmesser von 20cm nicht überschreiten.

 

Mark Taylor & David Hill


Anmerkungen:(1)Siehe 068h und 071a in der Galerie der ROMAN GLASSMAKERS Mark Taylor & David Hill
(2)'Diese sind von Gravierern sehr gesucht ... und werden von ihnen in Eisenwerkzeuge eingesetzt, denn sie machen leicht Löcher in harte Materialien.' (Plinius der Ältere, Naturgeschichte Buch XXXVII. XV, 60, D.E. Eichholz)
(3)Siehe die Galerie der ROMAN GLASSMAKERS Mark Taylor & David Hill
 (4)Siehe 071a in der Galerie der ROMAN GLASSMAKERS Mark Taylor & David Hill
 (5)

Plinius zitiert Metrodorus von Scepsis, der Germanien als Quelle der besten Diamanten nennt: "Metrodorus von Scepsis ist, so weit ich weiß, der einzige, der behauptet, daß adamas gleichfalls in Germanien, besonders der Insel Basilia, gefunden wird..." - Plinius der Ältere, Naturgeschichte, Buch XXXVII, XV, 61, D.E. Eichholz

 (6)Anm.d.Übers: Dieser Artikel ist aus der Sicht der ROMAN GLASSMAKERS Mark Taylor & David Hill geschrieben.

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