Dieser Artikel wurde in The Colchester Archaeologist No. 11 (1998) publiziert.
Text
& Abbildungen 1-7 © 1997 Mark Taylor und David Hill
Übersetzung,
Anmerkungen & Abbildungen 8-11 © 2009 Frank Wiesenberg
Quelle: http://www.romanglassmakers.co.uk/articles.htm
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Die Technik des Glasblasens ist eine Erfindung des ersten vorchristlichen Jahrhunderts. Wandernde Glasmacher sorgten für eine rasche Verbreitung dieser neuen Technik im Römischen Imperium. Viele in Großbritaannien gefundenen antiken Glasstücke sind wohl Importware. Die neue Technik des Blasens von Glas impliziert, daß Glasgefäße nun viel schneller produziert werden konnten und so mit Töpferware konkurrieren konnten. Trotz der Fragilität von Glas gibt es heute noch genügen antike Fundstücke, die uns die Bandbreite der fünf Jahrhunterte römischer Glasfertigung zeigen. Das römische Glas war sogenanntes Soda-Glas, bestehend aus Quarzsand, Soda und Kalk mit Pottasche, Magnesium und Aluminiumoxid. Die charakteristische, blasse blaugrüne Färbung wird von einer Verunreinigung mit Eisenoxid verursacht. Unser Glas basiert auf den römischen Inhaltsstoffen und mit den Vorteilen der modernen Glastechnik sind wir in der Lage ein Glas zu produzieren, was recht einfach von Hand zu bearbeiten ist, aber auch die Farbe und Charakteristik des römischen Glases wie Dünnwandigkeit, Leichtgelichtigkeit, leichte Blasigkeit und eine glatte, feuerpolierte Oberfläche hat.
Wagenrennen waren im römischen Reich ein beim Publikum sehr beliebter Sport. Die Wagenlenker waren ähnlich modernen Rennfahrern: populär, berühmt, belohnt - und auf dekorierten Glasbechern abgebildet, den Zirkusbechern. Die berühmteste Rennbahn war der Zirkus Maximus mitten in Rom. Details dieser Rennbahn wie "spina" (die zentrale Barriere der Rennbahn), die drei "metae", die konischen Wendemarken, der zentrale Obelisk und auch die sieben bronzenen "ovarium" (Eier) oder "delphinarium" (Delphine), welche als Rundenzähler fungierten, finden sich auf auf diesen Bechern (siehe Abb.1). Abb.1 - Abwicklung des Zirkusbechers 047A Leider wissen wir heute nichts mehr über Olympe (Olympus), aber dieser Name taucht auf den meisten verschiedenen Zirkusbechern auf, was nahelegt, daß er ein beliebter und häufig teilnehmender Wagenlenker war. Drei seiner Konkurrenten, die auch auf anderen Bechern erwähnt werden, fanden auch ihren Niederschlag in der antiken Literatur: Inciatus wird vom römischen Schriftsteller Martial und zwei andere Wagenlenker werden in zeitgenössischen Inschriften erwähnt. Pompeius Musclosus gewann erstaunliche 3.559 Rennen; Creses wurde (vermutlich während eines Rennens) im Alter von 22 Jahren getötet, hatte aber bis dahin die enorme Summe von 1.588.346 Sesterzen an Preisgeld für Rennen gewonnen.
Formgeblasene Glasbecher mit Wagenrennen-Szenen und/oder Gladiatorenkämpfen waren in der zweiten Hälfte des 1. Jh.n.Chr. weit verbreitet und wurden überall in den westlichen Provinzen des römischen Reiches gefunden. Becher mit Wagenlenkern werden nach der bekanntesten Rennstrecke Zirkusbecher genannt. Diese Becher waren vermutlich die antiken Fanartikel von Rennfahrern. Vom Colchester Archaeological Trust wurden in der Balkerne Lane vier Glasfragmente gefunden. Diese vier Fragmente ergaben fast ein Viertel eines solchen Zirkusbechers mit einem einzelnem Fries mit Wagenrennen (siehe Abb.2, 3 und 8), der möglicherweise in oder um Köln hergestellt wurde. Auf diesem Becher sind der siegreiche Wagenlenker Olympe mit Wagen und vier Pferden (Vierspänner, quadriga), der Siegerkranz und Palme hoch hält, mit der Inschrift OLYMPE abgebildet. Ein Teil hiervon fungiert nun als Logo des Colchester Archaeological Trust. Glücklicherweise wurden an weiteren römischen Stätten wie London und Vindonissa (das heutige Windisch, Schweiz) Fragmente gleicher Becher gefunden. Ein annähernd komplettes Exemplar befindet sich im Musée Archéologique in Namur (Belgien), was uns in die Lage versetzte, den kompletten Becher zu rekonstruieren.
Im kompletten Design dieses Bechers befinden sich vier Rennteams. Der Becher hat ein mittiges Hauptfries mit Abbildung des Rennens, oberhalb die Inschrift der vier Wagenlenker-Namen (mit VA, was entweder für "vade" = geh´! oder "vale" = und Tschüß! steht) und unterhalb ein Fries mit einer Jagdszene und Bäumen. Drei Wagen fahren und der Gewinner scheint zu stehen. Das könnte ein tatsächlich stattgefundenes Rennen nachbilden, das Olympe gewann, da er vor Ierax, Pyramus und Eutychus im kompletten Fries abgebildet wurde. Alle bisher bekannten Wagenlenkerbecher zeigen die vier Rennteams (Weiß, Blau, Rot und Grün), die von links nach rechts um das Gefäß fahren, was der Sichtweise des Zuschauers eines Wagenrennens entspricht
Mittlerweile reproduzieren wir zwölf verschiedene Zirkusbecher-Designs um unser Sortiment von freigeblasenem Glas zu ergänzen. Wir glauben, daß unsere Reproduktionsmethode der in der Antike von den römischen Glaskünstlern verwendeten Fertigungsmethode gleicht. Zunächst muß auf der Drehbank ein Formrohling erstellt werden. Er beinhaltet schon die horizontalen Rillen, die die Friese einrahmen, die Standringe bzw. Ringe des Gefäßbodens, sowie den provisorischen Hals oberhalb des späteren Gefäßrandes. Danach wird eine dreiteilige Gipsform vom Formrohling abgenommen.
Nach dem Trocknen wird das Design des Bechers vorsichtig spiegelverkehrt auf die Innenseiten der drei Formteile gezeichnet und dann mit so einfachen Werkzeugen wie Eisennadeln mit scharfen und abgerundeten Enden eingraviert. Mit Knetmasse kann die Designtiefe während das Gravierprozesses kontrolliert werden. Nach Gravieren aller drei Teile wird die Form wieder zusammengesetzt und ein "Ur-Becher" aus Ton wird mit ihr gemacht. An dieser Stelle haben die römischen Künstler den Ur-Becher wahrscheinlich im Ofen gebrannt um eine oder mehrere haltbare Ur-Formen herzustellen, von denen viele weitere Formen durch Abdrücken in Ton herzustellen. Aufmerksamkeit mußte hierbei den guten und sauberen Formpassungen gewidmet werden um später schmale Formnähte am Gefäß zu bekommen. Nach dem Trocknen wurden die drei Formteile im Ofen gebrannt. Um ein Glasgefäß in der Form herzustellen mußte der Glasbläser eine Glasblase in der Form aufblasen, während ein Assistent die drei Formteile fest zusammen hielt. Nach dem Blasen wurde das Gefäß getempert (kontrolliert schrittweise heruntergekühlt um Spannungen im Glas abzubauen), die unnötige Oberkappe wurde vom Gefäß entfernt und der dadurch scharfe Gefäßrand wurde abgeschliffen um Verletzungen bei Benutzung des Bechers zu vermeiden. Unsere Formen bestehen aufgrund der einfacheren Nutzbarkeit und längeren Haltbarkeit aus Bronze (2), aber sorgfältig oberflächenbearbeitet um den Glasrepliken die selbe Oberflächenbeschaffenheit zu geben, die die römischen Originale aufweisen.
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Anmerkungen: (1) Dieser Artikel war m.W. die erste Publikation der ROMAN GLASSMAKERS, weshalb ihm eine kleine Einleitung zu römischem Glas voransteht. (2) Nach vielen Experimenten werden die Zirkusbecher-Repliken nun in keramischen Formen bzw. Tonformen hergestellt (siehe hier), was sie den römischen Originalen noch näher bringt.
Frank
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