Experimentelle Archäologie: Rekonstruierte römische Glasöfen im Einsatz

- das "Velzeke Furnace Project" 2011 - Betrieb des Kühlofens

 

Beim letztjährigen Betrieb stellte sich durch diverse Experimente (siehe VFP2010 - Betrieb des Kühlofens) heraus, daß wahrscheinlich die pottaschehaltige Atmosphäre des alten Kühl- bzw. Entspannungsofens Schuld an einer irreversiblen Trübung der Oberfläche vieler Gläser des römischen Glasofens des PAM Velzeke sein müßte. Ursache ist die Konstruktion dieses Kühlofens, der die Gefäße nur mit halbhohen Seitenwänden vor direktem Flammenschlag schützt, aber keine weitere Trennung zwischen Gefäß- und Feuerkammer vorsieht.

Da der recht kleine Kühlofen keine Möglichkeiten zum Einbau einer separaten Gefäßkammer bietet, wurde seitens des PAM Velzeke der Bau eines weiteren Kühlofens mit beschlossen um den Belag auf den Gläsern zu reduzieren oder gar zu eliminieren und so die Gefäßqualität deutlich zu verbessern. Obwohl der 2008 erbaute alte Kühlofen mittlerweile gravierende Risse im Oberbau entwickelt hatte, die nur mit Draht und Bandage zu reparieren waren, sollte der neue Kühlofen auf Anregung der ROMAN GLASSMAKERS Mark Taylor & David Hill und Frank Wiesenberg nicht an seiner Statt, sondern diagonal gegenüber neben der Schüröffnung des Glasofens gebaut werden.

So bleibt der alte Kühlofen noch weiter bestehen und dient als Reserve falls der neue Kühlofen nicht funktionieren sollte (was immerhin grundsätzlich bei jedem Experiment im Bereich des Möglichen liegt), falls wider Erwarten die Kapazitäten des größeren, neuen Kühlofens aufgrund Überproduktivität der Glasbläser mal ausgeschöpft sein sollten oder falls gewisse Arbeitsabläufe einen zeitversetzten Betrieb zweier Kühlöfen erfordern sollten. Letzteres tat dann beim langen Samstag (10.09.2011) auf, bei dem von erwa 10:00 bis 22:00 am Glasofen gearbeitet wurde. Nachdem der neue Kühlofen von morgens bis etwa 19:30 zur Verfüguung stand und danach planmäßig herunterkühlte, wurde der alte Kühlofen zuvor angeheizt und übernahm dann die Aufnahme der frisch gefertigten Gefäße bis zum Arbeitsende um 22:00. So konnte der neue Kühlofen wie gewohnt am nächsten Morgen geleert und wieder angeheizt werden und stand so wieder den Glasbläsern zur Verfügung, während der alte Kühlofen noch bis zum frühen Nachmittag abkühlen durfte. Dadurch waren stündliche Kontrollen der Kühlofentemperatur zum erzwungenen schnellen Herunterkühlen wie beim letztjährigen Samstag/Sonntag-Betrieb des alten Kühlofens unnötig und das Ofenpersonal hatte auch in dieser Nacht deutlich weniger Streß.

Ein weiterer Grund für den Erhalt des alten Kühlofens sollte auch der experimentale Charakter sein: Die Entwicklung des Glasofensprojekts des PAM Velzeke sollte auch anhand von nicht zwingend benötigter Teile anschaulich präsentierbar sein.

Doch nun zum neuen Kühlofen: Wie schon erwähnt stand eine Konstruktion mit vom Feuerraum getrennter Gefäßkammer zur Debatte. Der Leiter des PAM Velzeke, Kurz Braeckman, beauftragte die ROMAN GLASSMAKERS Mark Taylor & David Hill mit der Erstellung eines Konzepts für einen Kühlofen, der dann vom Museumspersonal gebaut werden sollte. Ende Juli wurden von Frank Wiesenberg vor Ort die Maße für die maximale Ausdehung des Ofens aufgenommen, welche neben den zur Verfügung stehenden Baumaterialien die Ofendimension bestimmen sollten.


Der alte Kühlofen mit Drahtbandage im September 2009


Matter Belag (links)


Der alte Kühlofen

Die Erstellung des Ofenkonzepts samt Prinzipskizzen erfolgte dann in längeren Diskussionen durch Mark Taylor, David Hill und Frank Wiesenberg. Da bis zum nächsten Betrieb des Glasofens des PAM Velzeke nur noch knapp eineinhalb Monate Zeit blieben, wurde ein aus modernem Ofenmaterial gefertigter innerer "Gefäßkasten" favorisiert, der bis zu der seitlichen Öffnung zum Einbringen der Gefäße (aus der im Laufe des Baus dann zwei wurden) im Idealfall gasdicht sein sollte, auf jeden Fall aber den Ascheeintrag in die Gefäßkammer weitestgehend unterbinden sollte. Die Gefäßkammer sollte über einen doppelten Boden verfügen, der die Strahlungshitze des darunterliegenden Feuers besser verteilen und Überhitzungsschäden an den Gefäßen vermeiden helfen sollte. Gefäßkammer und Zwischenboden sollten auf 6 Ofenstein-Säulen ruhen, die für eine Stabilität der gesamten Konstruktion bürgen sollten. Die restliche Konstruktion, also der gesamte äußerlich sichtbare Bereich, sollte aus Lehm erbaut werden. Die Schüröffnung sollte zum Stand-/Sitzplatz des Glasofen-Heizers liegen, so daß zusätzliches Ofenpersonal für den neuen Kühlofen nicht benötigt wird.

Nachdem Bauplan-Skizzen und Erläuterungen an das PAM Velzeke gesendet waren, wurde mit dem Bau des Ofens begonnen, der erst am Montag vor dem Projekt fertiggestellt wurde!

Für den Gefäßraum wurden Ofenplatten verwendet, die mit feuerfestem Kleber/Spachtel verbunden wurden. Die verfügbaren Ofenplatten (und ein gut gemeinter Hinweis von Mark Taylor: "Build it as big as possible") führten zu einer maximalen Auslegung des Konzepts: Der neue Kühlofen ist vergleichsweise riesig und bedingt durch das begrenzte Fassungsvermögen der Glashäfen dürfte man kaum Gefahr laufen, die Kapazität des Gefäßraums je auszuschöpfen.

Wie gewünscht ruht der Gefäßraum auf stabilen Ofensteinen und der Rest des Ofens wurde aus vor Ort gemischtem Lehm (mit Strohmagerung) errichtet. Aus Zeitgründen sind die Türen des Gefäßraumes noch aus Ofenplatten. Für die Zukunft wären Türen aus Ton wünschenswert, zumal die eine Tür schon während des Betriebs am Samstagabend horizontal über die volle Breite gebrochen ist und der Kühlofen deswegen am Sonntag nicht in seiner vollen Größe zur Verfügung stand (die gebrochene Tür wurde kurzum mit Lehm versiegelt, war aber dadurch nicht zu öffnen, wodurch der erreichbare Gefäßraum knapp halbiert wurde).


Der neue Kühlofen und der Glasofen des PAM Velzeke


Vortrocknen mit Heizlüfter

Wie schon erwähnt war der Ofen am Montagabend noch recht feucht und wurde vom Feuerraum her mit einem konventionellen Heizlüfter getrocknet. Ein Schließen der Türen ergab am Dienstagmorgen eine maximal erreichbare Temperatur von 28°C (Meßpunkt vorne oben in der Gefäßkammer, Außentemperatur dieser Zeit 18°C), was zum Trocknen des Ofens zu gering war. Deswegen wurde der neue Kühlofen parallel zum gerade angezündeten Glasofen während des Pressetermins vom Projektleiter Peter van der Plaetsen (PAM Velzeke) gegen 19:00 angezündet und wurde bis zum Mittwochnachmittag zunächst bei etwa 80-100° (Gefäßraum) betrieben. Am Mittwoch erfolgte ein Probebetrieb, bei dem der Ofen bis über 500°C (Infrarot-Oberflächenmessung mit Laser-Pyrometer an Gefäßraumboden und -Seitenwänden) hochgefahren wurde.

Premiere: Anzünden des neuen Kühlofens

Schon beim Testbetrieb zeigten sich wie befürchtet ein paar negative Eigenschaften des Ofens, die zum Teil schlicht der Dimension, aber auch des prinzipiellen Konzepts (geschlossene Gefäßkammer) zuzuschreiben sind: Der Ofen ist nicht einfach auf die zum Entspannen der Gefäße benötigte Mindesttemperatur hochzufahren und zudem ist die Temperaturverteilung im Ofen recht ungünstig (vorne kühl, hinten heiß). Dies wird vermutlich durch die Schüröffnung (Einsaugung kühler Luft), aber auch durch die Lage des Ofens (Zugluft / Wind auf der vorderen Ofenseite, oberhalb der Schüröffnung) verursacht. Durch Konzentration des Ofenfeuers nahe der Schüröffnung, Installation eines kleinen Querrostes aus Ofenplattenresten zur besseren Sauerstoffversorgung des Feuers von unten und Abgaslenkung im Ofen durch Öffnen, Reduzieren bzw. Verschließen der drei Kaminlöcher konnte aber ein für die Gefäße sicherer Ofenbetrieb erreicht werden.

Als problematisch erwies sich die Anbringung der zwei Thermosensor-Meßpunkte (K-type-Sensoren) im oberen Bereich der Gefäßkammer. Während der hintere Meßpunkt noch ungefähre Angaben lieferte, aber je nach Heizsituation der Temperatur des Kammerbodens und der unteren Kammerwände zwischen 50 und 150°C hinterherhinkte, erwies sich der vordere Meßpunkt aufgrund seiner Lage nahe der seitlichen Öffnung der Gefäßkammer als komplett unbrauchbar. Er wurde kurzum mit einem passenden Holzstab verschlossen.


"Niedrigtemperatur-Betrieb" zum weiteren Trocknen

Am Donnerstag wurde der komplette Betrieb des neuen Kühlofens dokumentiert: Temperaturen am vorderen und hinteren Meßpunkt, Oberflächentemperatur des Gefäßkammerbodens und Öffnungsgrad der Kaminlöcher wurden zunächst viertelstündlich und während der nächstlichen Abkühlphase halbstündlich notiert. Möglicherweise verursachte das viertelstündliche Öffnen beider Türen zum Messen der Gefäßraumbodentemperatur ein paar Schäden an den Gefäßen durch Spannungsrisse, denn an den folgenden Tagen (ohne viertelstündiges Öffnen der Türen zum Messen) traten diese Schäden deutlich seltener auf und waren fast immer schon bei der Gefäßherstellung bzw. beim Ablegen in den Kühlofen bemerkt worden.


Spannungsriß an der Heftnarbe; aufgetreten in diesem Fall
definitiv während der Herstellung vor der Verbringung in den Kühlofen


Spannungsrisse an Rand und Henkelösen da dies eines der
ersten Stücke der Tagesproduktion am Donnerstag war,
könnte tatsächlich der Kühlofen noch nicht auf einer
ausreichenden Temperatur gewesen sein.

Zu meiner Verblüffung war der Betrieb des neuen Kühlofens ohne irgendwelche Tricks auf den Arbeitsablauf am Glasofen abstimmbar. Die geschlossene Gefäßkammer hatte keinen so negativen Effekt auf das nächtliche Herunterkühlen des Ofens, so daß mit wenigen morgendlichen Eingriffen der neue Kühlofen stets am frühen Vormittag schon wieder wohltemperiert für die Glasbläser bereit stehen konnte.

Im Vergleich zum alten, deutlich kleineren Kühlofen mit seinem zum Feuer offenen Gefäßraum wurde eigentlich nur der Feuerraum früher von Glut und Asche geleert: Im alten Kühlofen wurde nach Arbeitsende der Glasbläser noch mindestens für eine halbe Stunde Holz nachgelegt wurde, danach wurden der Feuerraum und die Kaminlocher mit Ziegeln verschlossen. Der neue Kühlofen wurde ebenfalls noch mindestens eine halbe Stunde weitergefahren, dann aber wurde der Feuerraum komplett ausgeräumt - und dann wurden Schüröffnung und die Kaminlöcher verschlossen. Modifikationen durch Schlitzöffnung der Tür(en) zum Gefäßraum, Öffnen von Schüröffnung und Kaminlöcher waren bei beiden Öfen morgens möglich bzw. nötig um die Temperatur auf unter 50°C zu senken und rechtzeitig den Gefäßraum leeren zu können.

Kurzum: Der neue Kühlofen funktioniert gut - trotz seiner Größe und der damit verbundenen Schwierigkeiten. Er ist eine Bereicherung für das Glasofenprojekt und hebt die bisher vorhandene Platzbeschränkung für gefertigte Gefäße soweit wie denkbar auf. Erstaunlicherweise ist die terminbedingt fast komplett ausgefallene Vortrocknung des Ofens nicht negativ ins Gewicht gefallen: Der neue Kühlofen weist bis dato keine strukturellen Schäden durch Risse auf und präsentiert sich auch nach der Projektphase in gutem Zustand. Möglicherweise trägt die Strohmagerung ihren Teil zur Stabilität bei; diese wurde beim alten Kühlofen leider weggelassen.

Auch die Qualität der Gefäße hat durch den neuen Kühlofen gewonnen. Leider trat an einigen Gefäßen noch der zuvor beobachtete Belag auf, ließ sich aber in den meisten Fällen abwaschen. Der Belag war also - wenn überhaupt vorhanden! - wesentlich weniger hartnäckig wie bei Gefäßen aus dem alten Kühlofen. Diesen Unterschied verdeutlichten auch die Gefäße, die am späten Samstagabend in den alten Kühlofen verbracht werden mußten.

Rußspuren an den Öffnungen des Gefäßraums des neuen Kühlofens zeigten, daß der Rauch nicht in den in den Gefäßreum hineinzog, sondern von ihm weg. Einzig durch den vom Öffnen der Türen verursachten Sog könnte eine kleine Menge Rauch in den Gefäßraum gewirbelt worden sein.

Um den Effekt weiter einzugrenzen wurde wieder wie im letzten Jahr (siehe VFP2010 - Betrieb des Kühlofens) ein "Dom", eine gläserne "Käseglocke", gefertigt, die mit einer seitlichen Henkelöse sehr gut mit einer Astgabel im Kühlofen manövriert werden konnte. Die unter ihr im neuen Kühlofen platzierten Gefäße waren augenscheinlich noch etwas klarer als ihre Zwillinge außerhalb der Glocke. Einige Gefäße kamen sogar komplett belagfrei aus dem Kühlofen! Der Belag-Effekt wurde also durch die andere Ofenkonstruktion deutlich verringert, falls er denn überhaupt auftrat.

Dieser Effekt dürfte noch Gegenstand weiterer Untersuchungen sein ...


Das rechte Glas war unter der "Käseglocke".


"Käseglocke MkII"

In diesen Kontext paßt noch das Zitat des Projekts: "Let me lick your glass!"

(W. Gudenraths (?) Ankündigung zur sensorischen Prüfung des milchigen Belags einiger Gläser; es schmeckt übrigens salzig!)


 

Die Dokumentation des "Velzeke Furnace Projects 2011" ist wie folgt gegliedert:

 

 



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