Experimentelle Archäologie: Rekonstruierte römische Glasöfen im Einsatz

- das "Velzeke Furnace Project" 2010 - Betrieb des Kühlofens

 

Während der letzten Glasofen-Projekte, sowohl in England (Quarley Furnace Projects) sowie in Belgien beim Provinciaal Archeologisch Museum Velzeke (Velzeke Furnace Projects) zeigte sich, daß der Betrieb der Arbeitsöfen deutlich weniger problematisch als der Betrieb der Kühlöfen war.

Wie auch der Arbeitsofen, so zeigte auch der Kühlofen schon in der ersten Betriebsphase (VFP2008) deutliche Risse, die im Folgenden (VFP2009) so gravierend wurden, daß ein Auseinanderbrechen des Ofens zu befürchten war. Abhilfe schaffte eine einzelne Drahtbandage, die ein weiteres Auseinanderdriften der großen Ofenteile verhinderte, so daß auch durch ein kontinuierliches Beiputzen der Risse ein unkontrollierter Temperaturverlust vermieden werden konnte. Im Vergleich zum Arbeitsofen kritisch ist beim Kühlofen die ständige Belastung durch die täglich wechselnden Heiz- und Abkühlphasen, wo der Ofen sehr stark "arbeitet".

Einen Arbeitsofen zu bedienen ist vergleichsweise leicht: Die vom Glasbläser geforderte Temperatur zu erreichen mag zwar je nach Ofengeometrie und Brennholz eine Herausforderung darstellen, aber ist diese Temperatur (zwischen 1000°C und 1100°C) einmal erreicht, ist es relativ leicht, diese fast gradgenau zu halten. Ein gut funktionierender Arbeitsofen - und natürlich das ihn Tag und Nacht mit Holz versorgende Heizerpersonal! - sind eine Grundvoraussetzung, um überhaupt Glasgefäße herstellen zu können.

Der zur Entspannung der heißen Glasgefäße benötigte Kühlofen mag weniger dramatisch erscheinen, entscheidet aber über Gedeih und Verderb der produzierten Gefäße: Stimmt seine Temperatur nicht, so kommt es entweder bei zu niedriger Temperatur zu Spannungsrissen in den Gefäßen oder zu Überhitzungsschäden wie verzogenen oder gar eingesunkenen Gefäßen. Ist die Feuerkammer nicht gasdicht von der Gefäßkammer des Kühlofens getrennt, so kann sich bei zu hoher Temperatur ein anderer Effekt einstellen: Ein matter Belag auf dem Glas, der sich nicht abwaschen läßt. Wir führen diesen matten Belag auf eine durch Potaschenanteile im Rauchgas verursachte "Korrosion" der Glasoberfläche zurück. (Genauere chemische Untersuchungen stehen noch aus.)

Um temperaturbedingte Schäden an den produzierten Gläsern zu vermeiden, wurde nach und nach das Temperaturfenster des Kühlofens verschoben und eingegrenzt. Wurde der Kühlofen bei den ersten beiden Projekten in Velzeke bei einem recht weiten Temperaturbereich von 500°C (± 50°C) betrieben, so konnten im September 2009 (VFP2009-II) eine bessere Gefäßqualität und weniger Totalverlust durch die Einengung des Temperaturbereichs und Absenkung der mittleren Temperatur auf 480°C (± 20°C) erreicht werden. Allerdings zeigte sich, daß hierfür eine häufige Temperaturkontrolle sowie ein regelmäßiges Nachlegen von kleinem Brennholz benötigt wurde.

Im September 2010 (VFP2010) sollte wieder das Problem des Kühlofens Gegenstand einger Überlegungen sein. Durch den Einsatz eines berührungslos messenden Laserthermometers zeigte sich, daß die Lage der Meßspitze des Digitalthermometers in der Seitenwand des Kühlofens suboptimal ist: Selbst nach Entfernen der Schutzkappe (VFP2009-II), wonach das Thermometer deutlich spontaner reagierte, "hinkte" die in Nähe der Rückwand im Ofen gemessene Temperatur der Temperatur des Bodens, auf dem die Glasgefäße stehen, deutlich hinterher. Besonders in der schnellen Anheizphase (von ca. 55°C Entnahmetemperatur auf die anvisierte Kühlofentemperatur) nach Leeren des Gefäßraumes war eine Differenz von bis zu 150°C zu verzeichnen, die sich nach Erreichen der geplanten Betriebstemperatur auf etwa 50°C reduzierte. Ein späteres Messen der Temperatur auf den Gefäßoberflächen bestätigte die zu geringe Anzeige des Termometers.

Der Grund dafür dürfte in der Konstruktion dieses Kühlofens liegen: Während die Meßspitze des Thermometers aus der Ofenwand herausragt und somit seitlich positioniert ist, liegt der relativ dünne Boden der Gefäßkammer direkt über dem Feuerraum, so daß er sehr viel direkte Hitze aufnehmen kann. So zeigen einige sehr früh in den Kühlofen verbrachte Gefäße leichte Überhitzungsspuren lediglich an ihrer Unterseite (Boden), da bisher nur auf die Anzeige des Thermometers geachtet wurde und die schnellere Aufheizung des Gefäßraumbodens unbemerkt und somit unbeachtet belieb.

Um weitere Überhitzungsschäden zu vermeiden sollte nun die Idealtemperatur des Kühlofens genauer eingegrenzt werden: Im September 2009 (VFP2009-II) zeigten sich zwar kaum Überhitzungsschäden, allerdings beunruhigte die recht hohe Temperatur des Gefäßraumbodens, so daß zunächst eine Absenkung der Kühlofentemperatur getestet wurde.

Am Donnerstag wurde der Kühlofen bei 450°C (geplant waren auch an den folgenden Tagen ± 10°C, erreicht wurden in der Praxis eher ± 20°C), gemessen wieder an der Ofenwand, betrieben. Bei einigen langstieligen Gläsern zeigten sich Spannungsrisse, die sogar zur Zerstörung einiger Gefäße im Kühlofen führten.

Deswegen wurde die Kühlofentemperatur am Freitag auf 470°C festgelegt, woraufhin zwei Gefäße leichte Überhitzungsschäden zeigten. Damit war die ideale Betriebstemperatur dieses Kühlofens eingegrenzt: 460°C.

Um dem weiterhin auftretenden Phänomen des matten Belags auf die Spur zu kommen, wurde am Samstag im Kühlofen ein Glasgefäß mit einer Blechbüchse abgedeckt und zwei weitere (ein extrem schnell gefertigtes und ein dutzendmal wiedererhitzes Gefäß) unter einer extra geblasenen "Käseglocke" platziert. An allen drei Gefäßen zeigte sich der Belag nicht, aber an der Käseglocke. Somit muß die rauchhaltige Atmosphäre im Kühlofen für den Belag verantwortlich sein.

Sowohl am Samstag als auch am Sonntag wurde der Kühlofen bei 460°C betrieben. Spannungsrisse und gravierende Überhitzungsschäden blieben aus. Kurioserweise zeigten trotz der gleichen Temperatur einige am Samstag gefertigten Gefäße eine matte Oberfläche (bis auf die zuvor erwähnten abgedeckten Teststücke), während fast alle am Sonntag gefertigten Gefäße nach dem Waschen in vollem Glanz erstrahlten.

Da die Optimierungsmöglichkeiten dieser Kühlofenkonstruktion wohl ausgereizt sind, laufen die nun angestellten Überlegungen auf einen Neubau des Kühlofens mit einer gasdichten Trennung von Feuer- und Gefäßkammer hinaus...


Kühlofen im November 2008


Überhitzungsschaden am Sturzbecher


Kühlofen mit Drahtbandage im September 2009


Matter Belag (links)


Kühlofen im September 2010


Kühlofen im September 2010


 

Die Dokumentation des "Velzeke Furnace Projects 2010" ist wie folgt gegliedert:

 

 



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