Experimentelle Archäologie: Rekonstruierte römische Glasöfen im Einsatz

- das "Velzeke Furnace Project" 2009 - die Glashäfen

 

Diese Diskusionen hätten genauso im ersten Jahrhundert im Hambacher Forst stattfinden können: Welche Form ist für die Glashäfen ideal?

Eher weit und flach, damit gut für den Glasbläser erreichbar, oder lieber eng und stabil, was der Töpfer favorisiert? Glasbläser und Töpfer stehen sicherlich nicht nur beim Rekonstruktionsversuch des 21. Jahrhunderts zum ersten Mal im Interessenskonflikt.

Glücklicherweise liegen einige römische Glashafen-Funde u.a. aus Augst, Goch-Aspergen und dem Hambacher Forst vor (1), zudem konnte für das belgische Glasofenprojekt auf die Erfahrungen der beiden englischen Quarley Furnace Projekte zurückgegriffen werden. Wie schon im zweiten englischen Projekt von 2006 entschied man sich gegen eine Lehmummantelung der Tongefäße, wie sie bei einigen römischen Fragmenten aus dem Hambacher Forst zu erkennen ist, da ein Stabilitätsgewinn durch diese zusätzliche Schicht im QFP2005 nicht nachweisbar war und Platz im Ofen nur eingeschränkt zur Verfügung steht: Da die Glasmasse aus weiten Häfen für den Glasbläser einfacher zu entnehmen ist als aus engen wäre es bei den engen Entnahmeöffnungen des Ofens wenig zweckdienlich, die Glashäfen durch eine dicke Ummantelung noch weiter als unbedingt nötig auseinander rücken zu lassen.

Als Material für diese Gefäße wurden nur lokal anstehende Tone verwendet. Die Häfen wurden zum Teil zusammen mit den beweglichen Glasofenbauteilen wie den Toren und hufeisenförmigen Reduzierringen im benachbarten Töpferofen gebrannt. Es handelt sich also hier um eine - wie auch für die Antike vermutete - lokale Zusammenarbeit von Töpfer und Glasbläser.

Während im November 2008 primär enge und hohe Glashäfen verwendet wurden, kamen 2009 auch einige flachere, aber dafür weitere, Gefäße zum Einsatz. Damit sie von der Arbeitsöffnung aus einfach erreicht werden konnten, mußten sie im Ofen mit Schamott- und Tonplatten unterfüttert werden. Das während des 2008er Projekts ungleichmäßig abgesunkene Sims, auf dem die Glashäfen positioniert sind, erzwang aber auch für die höheren Häfen ein Nivellieren durch das Unterlegen geeigneter Tonfragmente.

Schon während des Ofenbetriebs zeigte sich, daß die flachen Glashäfen für die Glasbläser wesentlich komfortabler und auch effektiver nutzbar waren: Der flachere Winkel, in dem die Glasbläser ihre Pfeife in die Glasmasse eintauchen konnten, ermöglichte das Aufnehmen von verhältnismäßig großen Glasbatzen in einem Vorgang. Zudem verblieb während der Arbeitsphase des Ofens wenig schlecht oder gar nicht erreichbare Glasmasse in den weiten Gefäßen, so daß die weiten Glashäfen sogar länger ohne nachzufüllen nutzbar waren als die engen! Ein weiterer Vorteil des flacheren Winkels zeigte sich beim Leeren der Glashäfen nach Beendingung des Projekts: Während bei den engen und tiefen Glashäfen recht viel Glasmasse für eine Entnahme unerreichbar bliebt, konnten die flachen Glashäfen fast komplett geleert werden.

Die Befürchtungen des Töpfers, daß die weiten Gefäße womöglich dem hohen von der Glasmasse auf die tönerne Gefäßwand ausgeübten Innendruck nicht dauerhaft standhalten könnten, erwies sich als unbegründet: Keiner der weiten Glashäfen zeigte Risse! Aber eines der engen Gefäße ist während des Ofen-Abkühlprozesses geborsten. Dies könnte aber auch durch eine inhomogene Ton- / Magerungsmaterialmischung zurückgeführt werden; zumindest legen die Scherben dies nahe.

In den zukünftigen Projekten (Stand: Januar 2010) werden deswegen trotz der Enge im Glasofen, die eigentlich enge Glashäfen angebracht erscheinen läßt, wohl auch so viele weite Glashäfen wie möglich verwendet werden.

 


Der flache, weite Glashafen zeigt nur eine geringe Restmenge Glas.

Fragentierter Glashafen (Fundort HA500)

Der tiefe, enge Glashafen zeigt eine wesentlich größere Restmenge Glas.

Die weiten Glashäfen erforderten aber eine etwas kompliziertere Positionierungstechnik, da sie nicht mehr durch die Arbeitsöffnungen paßten: Unsere "Aufzugstechnik": Die Gefäße werden durch die Schüroffnung in den Ofen hereingereicht, mit dem Aufzug auf Höhe des Simses gebracht und dann auf dem Sims nivelliert.

Dieser bei dem im nur ein- bis zweimal im Jahr genutzen rekonstruierten römischen Glasofen nötige Austausch der Glashäfen hat wohl in der Antike nicht stattgefunden, da die Lebensdauer der Glasöfen mit hoher Wahrscheinlichkeit gleich der Lebensdauer der Gefäße war.

 

(1)siehe Wolfgang Gaitzsch / Anna-Barbara Follmann-Schulz / Karl Hans Wedepohl / Gerald Hartmann / Ursula Tegtmeier: "Spätrömische Glashütten im Hambacher Forst - Produktionsort der EQVA-Fasskrüge. Archäologische und naturwissenschaftliche Untersuchungen" - In: Bonner Jahrbücher 2000 - Bonner Jahrbücher des Rheinischen Landesmuseums in Bonn und des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege im Landschaftsverband Rheinland und des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande Band 200 - , Philipp von Zabern, 2003

 


 

Die Dokumentation des "Velzeke Furnace Projects 2009" ist wie folgt gegliedert:

 

 



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